Erstmals urkundlich erwähnt wurden die Bauerschaften Sellen und Veltrup im Jahre 890 n.Chr. Als „Seliun“ und „Veliun“ tauchen sie in den Grundbüchern des Klosters Werden an der Ruhr auf. In der Festschrift von 1990 „1100 Jahre Bauerschaften Sellen und Veltrup“ bekommt der Heimatinteressierte einen fundierten Einblick in die Geschichte Sellens und Veltrups. In dieser Broschüre erfährt man auch, dass hier schon zur Bronzezeit Menschen gelebt haben, was sich anhand von Siedlungsspuren nachweisen lässt.
Zurück ins 9. Jahrhundert: „Seliun“ und „Veliun“ gehörten im Mittelalter zunächst zum sogenannten „Scopingau“. Gemeint war damit das Territorium der Gemeinde Schöppingen, das Siedlungsgebiete an der Steinfurter Aa und der oberen Vechte einschloss. Übrigens: Die Stadt Burgsteinfurt entstand auf dem Gebiet der Bauerschaft Sellen. In den beiden Bauerschaften gründeten sich im Laufe der Zeit einige befestigte Haupthöfe, um die herum einzelne Ansiedlungen entstanden. Jahrhundertelang waren die Bauern, obwohl sie zum allergrößten Teil Eigenhörige des Steinfurter Grafen waren, für ihre inneren Angelegenheiten weitgehend selbst verantwortlich. Die Edlen von Bentheim und Steinfurt hielten sich heraus. Das änderte sich grundlegend mit dem Einmarsch der französischen Truppen unter Napoleon im Jahre 1806.
Nach und nach wurde die französische Gesetzgebung eingeführt, die in Sellen und Veltrup die Leibeigenschaft aufhob. Andererseits wurden die Stadt Steinfurt und das Kirchspiel mit den Bauerschaften Sellen, Veltrup und Hollich zu einer Verwaltungsgemeinschaft zusammengefasst, die bis kurz vor Beginn des zweiten Weltkrieges 1939 Bestand hatte. Die Jahrhunderte alte Verwaltungsautonomie existierte nicht mehr.
Als die Preußen 1815 die napoleonische Ära endgültig beendeten, gab es in den nächsten Jahrzehnten immer wieder Konflikte mit der neuen Obrigkeit. Letztlich fügten sich die Bauern aber in die preußische Ordnung.
Im Jahre 1877 -mittlerweile lebte man im Deutschen Reich- gab es für die Kinder in Sellen einen gravierenden Einschnitt: eine eigene Schule in der Bauerschaft machte den beschwerlichen Weg nach Burgsteinfurt überflüssig. Diese Volksschule, in der jeweils in einem Klassenraum die Schuljahrgänge 1 bis 4 und 5 bis 8 -damals umfasste die Schulpflicht nur 8 Jahre- von zwei Lehrkräften unterrichtet wurden, hatte Bestand bis zur großen Schulneuordnung im Bundesland Nordrhein - Westfalen im Jahre 1966.
Ein ganz wichtiger Bestandteil des bauerschaftlichen Beziehungsgeflechtes ist das Schützenwesen. Es hat hier im nördlichen Münsterland eine jahrhundertealte Tradition und erfreut sich einer bis heute ungebrochener Beliebtheit. Urkundlich nachgewiesen sind die Schützen in Sellen und Veltrup in einer Rentamtsrechnung aus dem Jahre 1519, obwohl bereits wesentlich früher, nämlich im Jahre 1475 Schützen in Burgsteinfurt genannt sind: die heutige Schützengilde oder im Jahre 1490 die Schützen in der Bauerschaft Hollich. Auch dieses Jahr könnte für die Schützen in Sellen und Veltrup als Ursprungsjahr angenommen werden, gleichwohl hat man sich auf den ersten schriftlichen Nachweis auf das Jahr 1519 geeinigt.
Ganz besonders stolz sind die Sellen - Veltruper Schützen jedoch auf das älteste noch vorhandene Königsschild aus dem Jahre 1610. Eine Vielzahl von silbernen Königsplaketten zieren die mittlerweile 4 Königsketten, die alljährlich am letzten Sonntag im Mai anlässlich des Schützenfestes dem besten Schützen als äußeres Zeichen seiner Königswürde überreicht werden. Der König wird übrigens ermittelt durch ein Wettkampfschießen mit dem Kleinkalibergewehr auf eine 12er Ringscheibe auf dem vereinseigenen Kleinkaliberschießstand. Neben dem Schützenfest sind jedoch weitere Veranstaltungen des Schützenvereins hervorzuheben, die ihresgleichen suchen. Highlight im Veranstaltungskalender ist nach dem Karnevalsfest auf dem Hof des Schützenkönigs, der sogenannten „Bauernfastnacht“ mit dem traditionellen Eier- und Mettwurstholen am Karnevalswochenende, der erste Samstag in der Fastenzeit: „Das Buxenbeer“. Während im ansonsten überwiegend katholisch geprägten Münsterland in der Fastenzeit so gut wie keine öffentlichen Tanzveranstaltungen stattfinden, halten seit Jahrhunderten die Schützen in Sellen und Veltrup einen alten Brauch aufrecht: Als ursprüngliche Karnevalsnachfeier wurden eine Woche nach dem Karnevalsfest die Reste der Fastnacht verzehrt und war nur den Männern vorbehalten. Das bestätigt auch eine Manuskript des Archivs für Westfälische Volkskunde in Münster: „Ganz früher wurde das nur von der männlichen Jugend gefeiert, aber später kamen die jungen Mädchen hinzu. Wenn Mettwurst und Eier übrig geblieben waren, dann wurde auf dem Nachbarhof noch einmal eine Mahlzeit gehalten. Das `Buxenbeer` war der Abgesang der ganzen Fastnacht“. Höhepunkt des Buxenbeers und zugleich den Abschluss der Fastnacht bildet auf der Sellen-Veltruper Veranstaltung das Ersäufen des Strohkerls. Am Ende des Festes schnappt sich ein als Frau verkleideter Festteilnehmer eine Strohpuppe, die nach einem Tänzchen dann unter großem Hallodria in dem hofeigenen Tümpel ersäuft wird, quasi als Zeichen für die Beendigung des langen Winters. So heißt es z.B. in einem Spruch, der beim Tanz mit dem Strohkerl vorgetragen wird: „Dat auk de Winter weg geit buten, do wie nu düssen Straukiärl vesupen; Siägen mag Ju brengen des Fuhle, den Straukiärl schmiet wie in de Kuhle“.
Apropo Fuhle: Auch das ist eine Besonderheit in Sellen und Veltrup: Bereits viele Wochen vor dem Fastnachtsfest erstellen die Nachbarn des Königs ein großes herzförmiges Gebilde aus einer Vielzahl bunter Papierröschchen und Perlen. In der Mitte des Herzens wird mit dem sogenannten Fuhlenspruch der Ereignisse rund um das Schützenfest und den Schützenkönig gedacht. Angehängte Geldscheine, Salz, Pfeffer und Neujahrskuchen sollen symbolisch den Wunsch zum Ausdruck bringen, dass dem Fastnachtsbauern niemals Geld und Nahrungsmittel ausgehen mögen.